Der Gitarrenbauer

„Die Hochzeit ist immer das Schönste. Wenn die verschiedenen Teile zusammenkommen und man sie zum ersten Mal ganz sieht.“ So schildert uns Jakob den Lieblingsmoment seiner Arbeit. Und die Hochzeit hat es in sich, denn sie erstreckt sich über 3 volle Tage und Nächte. Aber dazu später mehr.

Denn der junge Mann, der uns an diesem verregneten Samstagnachmittag in seine Werkstatt eingeladen hat, um mit uns über sein Schaffen zu reden, ist keineswegs einer von diesen neuzeitlichen Weddingplaner – obwohl so Einer bestimmt auch eine gute Story abgegeben hätte.
Nein, Jakob baut Gitarren! Er ist einer von diesen Menschen, die man kennenlernt und bewundert. Ganz einfach deswegen, weil er einen Beruf hat, der ihm Spaß macht und den er mit Leidenschaft ausübt. Das wird uns ganz schnell klar, während wir ihn mit unseren 1001 Fragen löchern.
Aber Eins nach dem Anderen. Denn schon der Prozess seiner Ausbildung und der Werdegang in den ersten Jahren geben eine gute Geschichte ab.
Nach seinem Schulabschluss studiert der Offenbacher zunächst Architektur in Darmstadt. Zu dieser zeit fängt er auch an Gitarre zu spielen. Eine Leidenschaft fürs Handwerkliche besitzt Jakob schon immer. Da ihm ein zukünftiges Dasein als Architekt nicht wirklich erfüllend erscheint, hält er Ausschau nach Alternativen. Er stößt auf das Handwerk des Gitarrenbauers und fängt an, sich dafür zu interessieren, zweifelt aber zunächst an dieser zugegebenermaßen außergewöhnlichen Idee. Er bewirbt sich aber schließlich doch an der Berufsfachschule für Zupfinstrumentenmacher Mittenwald, an der jährlich nur vier Schüler die Ausbildung zum Gitarrenbauer aufnehmen können. Er hat Glück. Nach einer mühsamen aber erfolgreichen Aufnahmeprüfung ist klar, seine verrückte Idee wird Wirklichkeit.
Das hat er nun davon: Mittenwald! Der Name allein klingt vielversprechend. Mit knapp siebeneinhalb tausend Einwohnern liegt es idyllisch im tiefsten Bayern, nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt auf gut 900 Metern Höhe….mitten im Wald. Für viele Menschen diesen Alters, jedenfalls für die meisten, die wir kennen, ist ein Leben dort vermutlich nur schwer vorstellbar. Jakob erklärt uns aber, welche Vorzüge Mittenwald dann doch haben kann. Die schöne Landschaft, die Abgeschiedenheit – vor allem im Winter, begraben unter bis zu zwei Metern Schnee – und die Ruhe gepaart mit den kleinen Lerngruppen in der Gitarrenschule, ermöglichten es ihm, sich voll und ganz aufs Wesentliche zu konzentrieren. Noch während seiner Ausbildung richtet er sich in seinem kleinen 1-Zimmer Appartment eine eigene Miniwerkstatt ein und fängt an herumzuwerkeln und die ersten Gittaren anzufertigen. „Das war schon verrückt, auf so engem Raum alles… vor allem in dem Zimmer, in dem man auch schlafen muss. Und der Holzstaub ist auch nicht gerade gesund. Andererseits fand ich es aber toll morgens schon beim Aufstehen in weichen Fichtenhobelspänen zu stehen.“  Jakob lächelt. Aber irgendwie musste es ja gehen.
Nachdem er 2008 erfolgreich seine Gesellenprüfung abgelegt hat, zieht es ihn nach Italien. Der italienische Stil und seine Formen interessieren ihn. Auch hier gesellt sich zu seiner Hingabe und Ausdauer noch etwas Glück hinzu und so lernt er einen erfahrenen Gitarrenbauer kennen. Lorenzo Frignani ist während der darauffolgenden Monate sowohl die Quelle der Inspiration bezüglich Gitarrenbau, als auch Jakobs Italienischlehrer, sodass er nach einem Jahr auch die Sprache bereits gut beherrscht.
Außerdem stellt sich raus, dass Frignani der ideale Guide in puncto italienischer Lebensart ist. „Wenn man sechs tage die Woche zu zweit neun Stunden in der Werkstatt verbringt, kann das schon sehr intensiv sein. Deswegen lernt man nicht nur die Art des Bauens voneinander kennen, sondern auch die Art des Lebens. Durch ihn habe ich die Kultur der Emilia Romana und eine nie zuvor gekannte Freude am Essen entdecken können. Die Zeit mit ihm hat Pasta und Espresso zu einem essenziellen Bestandteil meines Lebens gemacht. Meine Espressomaschine ist nun wichtiger für meine Arbeit als meine Kreissäge.“
Die Wege der Beiden trennen sich irgendwann aber da ist Jakob bereits Gitarrenbauer.

Die Werkstatt, in der wir heute sitzen, hat er erst mitte Januar bezogen. Sie befindet sich ganz überraschenderweise hinter einer der Türen der WG, in der er wohnt. Früher war das ganze ein Blutlabor und auch heute noch klopfen Leute ab und zu an die Tür und verlangen, dass man ihnen Blut abnehme. Wir stellen uns kurz vor, dass vielleicht unser eigenes Blut schonmal diese Räumlichkeiten durchwandert hat und gehen mal davon aus, dass die Werte OK waren. Jakob und sein Mitbewohner haben in der Vergangenheit auch schon Urinproben aus ihrem Briefkasten gezogen. Wir müssen laut lachen.
Naja, trotz der Blutgeschichte, wir fühlen uns direkt wohl hier. Der süße Duft von frisch geschnittenem Holz fällt uns gleich auf und die unterschiedlichen Ebenen machen die Werkstatt auch optisch interessant.
Jakob lässt uns an diversen Hölzern aus aller Welt riechen und klopfen. Außerdem geht er näher auf das spezifische Gewicht, der verschiedenen Arten ein. Er zeigt uns den Rohzustand, in dem er das Holz auswählt. Wir können nichteinmal Gitarre spielen, folgen aber gebannt seinen Worten. Im Gitarrenbau gibt es – wie überall – unterschiedliche Theorien und Stile. Eines von Jakobs Markenzeichen ist zum Beispiel an der Krone zu erkennen, sozusagen das Endstück des Gitarrenhalses. Hier arbeitet er oft filigrane Rundungen und Vertiefungen ein, die fast an eine Blüte erinnern. Dieses edle Stück macht aber nicht ganz so gerne wie den Hals selbst. Denn wenn man das Holz in Form bringt, fühlt man sich ein klein bisschen wie ein Bildhauer, erzählt er.
Wir fragen ihn, welche Musik er bei der Arbeit hört. „Das ist ganz unterschiedlich. Bei schweißtreibenden Arbeiten ist zum Beispiel Techno ganz gut.“ Eher meditativ wird es hingegen beim Lackieren, wenn reizende Dämpfe auf ihn einwirken.
Sobald es absehbar ist, dass die einzelnen Teile fertig werden, kann Jakob sich innerlich schonmal Gedanken um die Hochzeit machen. Wenn sich zum ersten Mal Boden, Decke, Zargen und Hals vereinen, kommt positive Stimmung in ihm auf. Endlich wird sichtbar, woran man in den letzten Wochen gearbeitet hat. Noch ist die Gitarre aber nicht fertig. Auf die Hochzeit folgen noch weitere, wichtige Arbeitsschritte, bis nach fast zwei Monaten endgültig der Moment der Wahrheit da ist: das Aufziehen der Saiten. Jakob kann sich noch allzu gut an diesen Moment erinnern, als er seine erste Gitarre mit Saiten bestückt hat und die erste Hörprobe machte: Die totale Enttäuschung! Und er war völlig verzweifelt. „Das Ding klingt absolut grauenhaft!“ Tief in der Nacht, rief er damals noch einen Freund an und bat ihn um Beistand. Zusammen begaben sie sich auf Fehlersuche…konnten aber nichts Konkretes finden. Ähnlich verhielt es sich auch mit den Gitarren zwei, drei, vier und fünf. Seitdem zieht Jakob die Saiten immer abends vor dem Schlafengehen auf und wartet 8-9 Stunden bis zum nächsten Morgen, bevor er das erste Mal darauf spielt. So lange dauert es nämlich mindestens, bis eine fertige Gitarre das Laufen lernt. Immerhin ziehen die Saiten mit bis zu 70 kg an den beiden Enden, da braucht es ein wenig Zeit, bis sich alle Einzelteile aufeinander abgestimmt und ausbalanciert haben. „Es scheint fast so, als wüsste Sie noch nicht wohin mit den Schwingungen.
Nachdem wir bereits eine ganze Weile gemeinsam gefachsimpelt haben, stellt Jakob endlich die Frage: „Wollt ihr vielleicht mal was hören?“ – „Na endlich, wir dachten schon du würdest nie fragen!“ Gespannt, wie die Saiten einer neuen Gitarre setzen wir uns hin und lauschen den warmen Klängen einer echten Offenbacherin. Nicht, dass wir groß Ahnung hätten, aber Töne, die sie von sich gibt, bezaubern uns für einen kurzen Moment. Oder liegt es vielleicht an Jakob? Am Holz? Oder vielleicht einfach an dieser schönen Kombination aus dem Erschaffer und seinem Werk? Was immer es ist, es wirkt.
Was uns außerdem noch auffällt, ist die für uns unerwartete Lautstärke dieses Instruments. Anschließend legt uns Jakob noch kurz seine Philosophie des Gitarrenbaus dar. Anders als bei einigen anderen Gitarrenbauern, ergibt sich der perfekte Klang für ihn daraus, dass möglichst alle Teile des Instruments an der Tonproduktion gemeinsam beteiligt sind. „Ich versuche die Einzelteile nicht entkoppelt zu sehen, sondern als ein in sich schlüssiges System, bei dem alles ineinander greift. Das ganze Instrument wird in von den Saiten in Schwingung versetzt – Boden, Zargen, Hals und viele kleine Bauteile mehr, würzen und unterstützen den Klang der Gitarrendecke“. Folglich ist es wichtig, dass – bis hin zum kleinsten – alle Teile in Balance zueinander stehen. Jakobs Gitarren sind deshalb trotz ihrer Größe mit 1200 Gramm vergleichsweise leicht. Ein weiterer Vorteil, der sich hierraus ergibt, ist das gute Feedback seiner Instrumente für den Musiker. „Ich finde es wichtig, dass man die Vibrationen am Bauch und in den Händen spürt, während man spielt. Das die Gitarre unmittelbar und direkt auf das Anspricht was man mit den händen tut – auf das, was man ausdrücken möchte“ Wir können nicht anders als ihm zuzustimmen.
Schließlich wollen wir wissen, wie denn so die Geschäfte laufen und finden heraus, dass er bereits mit Aufträgen für die kommenden zwei Jahre versorgt ist. „Das ist ein Luxus und gibt mir die Freiheit, mir echt Zeit zu lassen und meine Sache gut zu machen.“ Zu seinen Kunden zählen professionellen Musiker und Studenten, sowie reine Musikliebhaber und Sammler. Während die Einen auf ihr Instrument angewiesen sind, oft bis zu 8 Stunden daran sitzen, sich aber finanziell oftmals keine Luftsprünge erlauben können, geben die Anderen gerne etwas mehr für ihr Hobby aus, spielen selbst aber vergleichsweise selten. Was aber all diese Leute mit Jakob verbindet ist die Liebe zum Klang. So kommt es oft, dass sich freundschaftliche Verhältnisse zu seinen Kunden entwickeln. Viele schauen häufiger mal vorbei und erkundigen sich nach dem Stand der Dinge. Man tauscht sich aus, trinkt einen Tee, vielleicht spielt man auch mal gemeinsam ein, zwei Stücke.
Und in Zukunft?“ fragen wir. „Also die nächsten fünf, sechs Jahre sehe ich mich immernoch hier. So ein Umzug mit der ganzen Werkstatt ist schon ziemlich aufwändig. Da kann man nicht mal für ein Jahr woanders hin und da arbeiten. Und was das Gitarrenbauen generell angeht; das wird bestimmt nie langweilig. Es gibt immer was zu entdecken, die Szene wandelt sich und so bin ich auch ständig auf der Suche nach Wegen den Klang meiner Träume zu finden, auch wenn das Grundprinzip immer dasselbe bleibt.
Eine letzte Frage haben wir noch an ihn und wollen wissen, ob seine Gitarren denn eigentlich Namen haben. Er kann sich das Grinsen nicht verkneifen, antwortet mit einem definitiven „Ja. Aber die sind nur für mich.“ Wir verstehen schon und bohren nicht weiter nach.

Keine Amore ohne Caffè Cuore

Es stimmt also tatsächlich, was man über die Italiener sagt…

Nach dem Tipp einer guten Freundin, gehen wir an diesem Samstag Nachmittag, quasi mit dem ersten Sonnenschein des Jahres, in das italienische Café in der Frankfurter Straße; Es gäbe wirklich guten Kaffee und der Inhaber sei total gesprächig und ein freundlicher Zeitgeselle.
Wir betreten den Raum und es scheint uns, als wären wir gerade 1750km gen Süden gefahren. Wir sind also in Apulien, genauer gesagt in Uggiano La Chiesa, der Heimat von Franco. Ein bisschen verdutzt schaun wir uns erstmal um, bevor wir den Betreiber des Cafés, das zugleich als Lebensmittelladen fungiert, ansprechen können. Im Schaufenster stapeln sich die Panetonekartons und beim Anblick der mit Feinkost befüllten Regale kann einem schonmal das Wasser im Munde zusammenlaufen. Auch die große Auswahl an Weinen kann sich durchaus sehen lassen.

Franco ist kein bisschen erstaunt über unseren Besuch. Es wurde schon so Einiges geschrieben und berichtet über sein geliebtes Café Cuore. Die Menschen mögen es anscheinend hier und er weiß nicht so recht warum. „Ich habe es ganz einfach gemacht.“
Wir jedoch haben ziemlich schnell schon einige Vermutungen, wieso der Laden, den es jetzt mittlerweile seit 4 Jahren gibt, so gut läuft. Zum Einen, serviert Giuseppe, der heute die Kaffeemaschine bedienen darf, einen vorzüglichen Espresso und zum Anderen, birgt die Atmosphäre eine gewisse Ansteckungsgefahr. Es wird viel musiziert berichtet uns Franco, der auch selbst gern zur Gitarre greift und sogar mal eine eigene CD aufgenommen hat. Auch heute sitzt ein Mann an einem Tisch am Fenster und zupft etwas nachdenklich an seiner Gitarre. He Michele, bitte spielst du jetz eine schöne Lied, ok?! Das ist Michele, ein guter Freund von mir. Und auch im weiteren Verlauf unseres Besuchs, wird jeder neue Gast als ein guter Freund vorgestellt. Das sei wichtig, erzählt uns Franco. Heutzutage kann jeder alles überall kaufen. Das ist auch der Grund, warum so viele Läden und Cafés schon kurz nach ihrer Eröffnung wieder schließen müssen. Oft steckt einfach kein Cuore dahinter. Nicht nur freut es Franco persönlich, wenn er mit den Menschen in Kontakt treten kann, es ist auch gut fürs Geschäft. Heute kommen 10 Freunde und morgen bringen sie 10 weitere Freunde mit. Das ist gut, hier ist es leicht, Kontakte zu knüpfen. So macht es auch Sinn, dass sie alle paar Wochen eine Party in dem netten Cafè veranstalten. Da gibt es dann selbstgemachte Musik, leckeren Wein, Antipasti und was sonst noch alles zu einem perfekten Abend gehört. Die nächste findet im Übrigen am 9. Februar statt. Doch erstmal gibt es für Lili einen Espresso aufs Haus. Giuseppe, un espresso per la signora!


Das Spiel mit den Klischees ist übrigens nur zum Teil gewollt. Franco ist sich durchaus bewusst, dass die Leute auf seinen authentischen Akzent ansprechen. Trotzdem würde er gerne flüssiger Deutsch sprechen und sich präziser ausdrücken. Das hat er aber auch in den gut 40 Jahren, die er nun schon hier lebt, nicht geschafft, gibt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu. Macht gar nichts, wir verstehen ihn super.

Wir wollen uns weiter umsehen und mit ein paar Gästen ins Gespräch kommen, als plötzlich dieses Lied ertönt: Tu vuò fa l‘ americano! mmericano! mmericano siente a me, chi t‘ ho fa fa?….Moment, das kenn ich doch irgendwoher!? Zu Franco und Michele hat sich noch ein Dritter gesellt. Zusammen singen sie den alten Evergreen von Renato Carosone (ja das hab ich gegoogelt) und die Gäste wippen dazu vergnügt im Takt.

Die Eltern von Franco waren Bauern. Als er nach Deutschland kam, hat er einige Jahre als LKW-Fahrer gearbeitet und ist zwischen Deutschland und Frankreich gependelt. Unter großem Termindruck musste er oft die Nächte durchfahren und vermisste dabei einen guten Kaffee, der ihn wachhalten konnte. Und immer, wenn er dann einen fand, schien es ihm, als ginge sein Herz auf. So entstand auch der Name für sein liebenswertes Café.
Klingt nach einer ziemlich romantisierten Darstellgung, wie wir finden…aber glauben tun wir es ihm trotzdem.

Achja: Was waren das noch alles für Klischees über Italiener?! Sie seien sehr offen, temperamentvoll und lebensfreudig, eher familiär veranlagt und daher warmherzig. Außerdem hätten sie ein ausgeprägtes Bewusstsein für gutes Essen und Trinken….cosa vuoi di più dalla vita 🙂