„Wohin gehst’n jetzt schon wieder?“, fragt mich mein Vater, als ich mir meine Jacke überziehe und die Kamera in den Rucksack stecke.“Ich mach was für onoff“, antworte ich nur knapp. Interessiert kommt von ihm zurück: „Und was?“, gespannt wo ich am frühen Samstag Abend Stoff für den Blog hernehmen will. Ich unterbreche kurz das Kramen, prüfe, ob ich alles dabei habe – Kamera – Check – Stift – Check – kleiner College Block mit dem grünen Einband – Check. Mh. „Das weiss ich noch nicht.“ – „Na dann viel Erfolg.“, ruft er noch, als ich die Tür hinter mit zuziehe. Tatsächlich habe ich heute keinen Plan, wo es für mich hingeht. Habe keinen Ausgangspunkt, nicht wie bei den Mormonen schon lange einen Termin ausgemacht, mir schwirrt keine Frage im Kopf, die ich den Offenbachern auf dem Wilhelmsplatz entgegenwerfen könnte. Ich fahre einfach los auf meinem Fahrrad. Den ganzen Tag hat schon die Sonne geschienen – jetzt begibt sie sich ganz gemächlich auf den Sinkflug. Meine Pläne, heute abend noch DIE Story an Land zu ziehen, scheinen mit jedem Tritt in die Pedale unrealistischer, denn ich trödele rum, fahre erst Richtung Bürgel, dann wieder zurück vorbei am alten Friedhof, rauch kurz eine hinten am Isenburger Schloss und strample dann langsam weiter Richtung Hafen. Ich halte kurz am Lili Tempel, wittere die Spur eines Artikels -Wer besitzt das Ding eigentlich? Wohnt da jemand? Sollte der Tempel nicht wieder verkauft werden? „Das könnt was sein“, denke ich mir und beschaue das schöne Gelände, mache ein paar Bilder vom makellosen Pavillion, freue mich, dass Licht brennt….und stehe geschlagene 4 Minuten vor dem großen Stahltor, weil mir niemand öffnet. Korb. Meine Versuche irgendwie ans Fenster zu kommen, um mir Aufmerksamkeit zu erklopfen, scheitern und beäugt von Parkgängern schiebe ich mein Rad unverrichterer Dinge wieder in Richtung Main.
Und dann sehe ich Licht. Warme Farben, Rosa, Orange, ein Hauch von Lila – in jeder Richtung. Es ist kurz vor sechs, die Sonne geht unter. Und mit einem Mal bin ich von Geschichten umgeben. Keine, die mit Schrift fixiert werden, nicht mal welche, die fotografisch auf solch vielschichtige Weise gebannt werden könnten, wie sie mich gerade umgibt. Nein, es sind Gemälde, auf die ich so plötzlich gestoßen bin: Die Hermann-Steinhäuser-Siedlung ist heute Abend ein Mosaikteppich, der Ruderverein strahlt stolz in ocker und ganz hinten sieht man Frankfurt glitzernd flimmern. Der Main ist keine traurige Brühe mehr, er ist zum Meer geworden. Mein Herz gewinnt an Schlagkraft, denn ich versuche schnell-alle-tollen Momente festzuhalten. DIE Story heute hat keine Worte zum Inhalt. Ich versuche nicht wie sonst, ein gutes Interview zu kriegen, das ich später in verschlungenen Sätze niederschreibe. Es ist die Ästhetik des Moments auf die ich gestoßen bin und für die ich mich heute ins Zeug lege. Ich rase von Ort zu Ort, sehe überall einmalige Schüsse. Aus der anfänglichen Trägheit ist Ambition geworden, die Ideenlosigkeit ist dem Wunsch gewichen, alles auszuschöpfen, was der sonnige Untergang in und mit Offenbach zu bieten hat. Ich eile noch zum Hafen – obwohl ich das neue Hochhaus, das sich neuerdings zwischen Wiese und Freiblick auftürmt, nicht leiden kann, ist es heute fantastisch. Denn es fängt den letzten Funken Licht ein und gibt mir die Chance, wieder runter zukommen, inne zu halten. Und nur für mich betrachte ich die schillernde Zugabe. Ich lächle und freue mich schon darauf, von meiner erfolgreichen Schatzsuche zu berichten.
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