Ostend 2010
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Neuland
Offenbach am Meer. Der Spruch ist den meisten hier bekannt und das nicht nur, weil er Jutebeutel und Wintermützen ziert oder Sticker, die einen Freifahrtschein zum Tapezieren der Stadt geben. Er ist auch so populär, weil er ein Stück Selbstbewusstsein vermittelt.
Ein Stück Meer, das ist Offenbach der Hafen. Er wird vom Geist einer längst untergangenen Lederwarenhochburg geprägt genauso wie vom künstlerischen Auftrumpfen zahlreicher HfG Studenten. Eine Liebelei, die zwischen türkisfarbenen Kränen und Schutthaufen lumineszierende Installationen hervorbrachte. Ein ganzes Universum ist hier entstanden. Trotzdem: Das Bauprojekt HO* verfolgt schon seit mehreren Jahren die vordringliche Aufgabe, den Meerblick aufzumotzen – was erst einmal dazu geführt hat, dass er hinter Gittern und Hochfassaden verschwindet. Und auch das Kulturcafé am Main ist der Umstrukturierung ins Netz gegangen, schlägt die Zelte nun ein wenig weiter flussabwärts auf. Und macht Platz für Neues.
Da, wo früher alte Hafenbecken den Weg in den Kingkamehameha Beach Club leiteten, ist nun ein neuer Park am Wasser zu finden, organische Wellen aus Kies. Langgezogene Sitzreihen, von denen man die Skyline in Ruhe bestaunen kann, neue Zöglinge, noch von Gittern geschützt, stehen Millimeter für Millimeter in den Startlöchern. Eingefasst ist das neue Ufer von rostig-klaren Stahlplatten, sodass die Atmosphäre des Offenbacher Hafens, Eckpfeiler damaliger Industrie, nicht an Charakter verliere. Hier und da liegen noch Steine im Weg, aber zur Sicherheit ist eine Folie auf den Bänken belassen, so, wie man es bei einem neuen Handy macht, das man vor Kratzern schützen möchte (die sowieso unausweichlich sind).
Obwohl das Neuland noch nicht zur Entdeckung geöffnet ist, wagen sich viele Mitbürger hinter die Bauzäune. Manche scheinen etwas misstrauisch, betasten das frische Fleckchen. Andere sind mutiger, genießen auf der Maintour mit Inlinenern eine Pause. „Es hat was von Hamburg“, meint ein junger Mann mit Skateboard neben sich, „Ganz so wie bei den Marco Polo Terrassen an der Elbe.“ Die Gegensätze zwischen rostig und rausgeputzt gefallen ihm, die Widersprüche seien „interessant“, passen zu Offenbach. Nur der klobige Hochhausneuling, der bald Bürotische und 3-Zimmer-Wohnungen beherbergen wird, störe. „Ich bin gespannt, was Offenbach hierdraus macht. Und wie lange es hier in Ordnung bleibt.“, sagt der Mann mit dem Tastsinn. Je nachdem, wie man´s nimmt, aber die ersten Papierchen sind bereits angeflattert, den unnatürlichen „Clean Look“ hat Offenbach noch vor der offiziellen Eröffnung abgestreift. Müll hindert eine Gruppe von Mädchen nicht daran, sich dem neuen Ufer spielerisch zu nähern. Eine von ihnen streckt auch die Füße ins Wasser, erntet dafür allerdings sofort ein harsches Wort von den Freundinnen. („Das ist kein Schwimmbad, das ist der Main du Schlaukopf!“). Die Einstellung der Mädchen zur neuen Hafen-Ära: „Wir waren schon früher hier. Und werden auch in Zukunft kommen.“
Es ist schön zu sehen, dass die Stadt in Bewegung ist, etwas aus dem Gegebenen machen möchte und die Lebensqualität durch dynamische Formen und Ausblicke pushen möchte. Dennoch sollten wir uns bewusst darüber sein: Offenbach lag schon immer am Meer.
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