Der Lilitempel

„Goethe´s Lili. Und ein Küsschen am Main..“, antwortete meine Oma als ich sie danach fragte, was sie mit DEM Badetempel Offenbachs verbinde. Überraschenderweise amüsierte sie das Thema und sie verstellte ihre Stimme auf geschwollen, als sie mir weiter von romantischen „Stelldicheins“ zwischen dem berühmten Dichter und der Kaufmannstochter Lili Schönemann erzählte. Einst das Eigentum der wohlhabenden Frankfurter Bankiersfamilie Metzler, diente es dem jungen Liebespaar angeblich als Rückzugsort. Meine Oma kramte noch Erinnerungen anderen Kalibers aus: Ihre Mutter sei damals noch vom runden Balkon aus in den Main gesprungen, als der Fluss noch nicht begradigt und das Bauwerk noch direkt am Wasser lag. „Ich war schon lang nicht mehr da“, fügte sie zum Schluss noch hinzu.

DSC_7554Im Vergleich zu meiner Oma kommen in mir auch andere Erinnerungen hoch, wenn ich an den Lilitempel denke und die haben unweigerlich etwas mit Uringeruch zu tun. Mit düsteren, beschmierten Steinen und Einkaufswagen, die im kleinen Tümpel vor dem kreisrunden Gebäude scheinbar eine letzte Ruhestätte gefunden haben. Der Lilitempel nicht als sagenumwobener Ort oder Badeparadies, sondern eher als verwahrloste Grotte mit dunklen Tunneln. Ein paar Kindheitserinnerungen gruseln mich sogar: Die Entdeckung des Obdachlosen-Lagers als ich mit einer Freundin an den rauhen Steinen entlang hochgeklettert war oder das Schauermärchen von Löwen, die hinter den Gittern gehalten wurden. Ich erinnere mich weiter und sehe noch die Holzbretter vor mir, die den Eingang in den Tempelbereich blockierten, um Junkies aus den dunklen Gängen fern- und Kinder vom Absolvieren gefährlicher Mutproben abzuhalten. Ich sehe die mit Einsturzgefahr drohenden Warnschilder an den Eck-Pavillions und Drahtzäune, die irgendwann das gesamte Areal isolierten und so zum Outsider unter den Offenbacher Sehenswürdigkeiten machten. Das Denkmal lag brach, „Es fehlt der Stadt an Geld“, hatte man mir immer gesagt.

DSC_7527Aber auch diese Erinnerungen sind Schnee von gestern, in Anbetracht der Verwandlung, die das Antlitz des Lilitempels schon vor einem Jahrzehnt durchmachte. Das marode Bauwerk aus meiner Kindheit wurde an den Inhaber eines Designmöbel-hauses verkauft und in Kooperation mit der Stadt von Grund auf saniert. Teile wurden abgerissen, andere ergänzt und weiß eingefasst, noble Glasfassaden installiert und der Tümpel wurde zum Teich. Diese Metamorphose war allerdings nur von Weitem zu bestaunen, denn mit der Renovierung wurde auch ein schwerer Stahlzaun aufgestellt, der das Gebiet von nun an weitläufig absteckte. Das große Tor, aus- gestattet mit Klingel und integrierter Kamera, sollte potentielle Lustwandler fernhalten. 2007, drei Jahre nach Umbaustart, bezog der Designer Volker Hohmann sein Stück Kultur. Die durchsichtigen Scheiben zur Mainstraße hin ließen Passanten genug Einblicke, um sich den modern gehaltenen Luxus ausmalen zu können. In dieser Zeit stellte Hohmann den mit seidener Tapete eingefassten Pavillon (ein vom Wohnbereich abgeteiltes Räumchen) für Lesungen oder andere kulturelle Abende der Stadt zur Verfügung. „Sah schon cool aus da drin“, erzählt ein Bekannter von Hohmann über den neuen Palast am Main.

IMG_6968 (Kopie)Allerdings blieb der Tempel nicht lange Eigenheim. Durch den Umzug seiner Agentur nach Gelnhausen, entschied sich auch Hohmann letztlich dafür, die Zelte am Fluss abzubrechen. Er blieb allerdings Inhaber des Lilitempels und wurde darüber hinaus auch der der gleichnamigen Event GmbH, welche das schicke Bauwerk seit neuestem für Veranstaltungen aller Art vermietet. Die brandneue Internetseite zählt unter anderem Geburtstage oder Business Events auf, schlichtweg alles, was potentielle „Momente am Main“ sein können. Tatsächlich findet das Areal aber vor allem als Hochzeitslocation hohen Anklang – für dieses Jahr sind nahezu alle Wochenenden von Brautpaaren belegt, die mit poesieträchtigem Backround den Bund fürs Leben besiegeln wollen. (Weniger romantisch erscheint die Tatsache, dass die Verlobung von Goethe und Lili Schönemann bereits nach einem halben Jahr wieder gelöst wurde – daran scheint man sich im nostalgischen Liebestaumel allerdings nicht sonderlich zu stören.) Und so sehen sich Pärchen wohl schon den langen Kiesweg hin zum Tempel schreiten, unter der großen Kuppel hindurch in den weiten hohen Saal eintreten und bei einem Glas Champagner auf der Terrasse anstoßen. Arm in Arm wie einst der Dichter und seine „einzig wahre Liebe“.

Ob es letztlich begrüßenswert ist, dass ein einzigartiges Stück Offenbacher Kultur in dieser Weise kommerzialisiert wird, sei dahin gestellt. Genauso wie Frage, ob sich Goethe und Lili tatsächlich im Schutze des Badetempels der Liebe hingaben. Oder ob  wirklich Löwen im Untergeschoß gehalten wurden. Eines steht allerdings fest: Die Palette der Erinnerungen rund um den Mythos Lilitempel wird um neue Farben erweitert.

It´s Manti Time

Die Selbstbedienungsbäckerei Diback in der Kleinen Marktstraße trumpft mit einem weiteren Stockwerk auf: Vertrauend auf den großen Erfolg von Gözleme, Börek und Co. bietet von nun an das Restaurant „Manti Time“ direkt über Diback türkische Spezialitäten an.

IMG_6895-(Kopie)Offenbachs erste SB-Bäckerei gleich gegenüber von Nordsee gehört zu einem der beliebtesten Schnell-Cafés der Stadt. Das ist nichts neues, denn durchgängige Schlangen an den Kassen, ein stets wachsendes Angebot deutscher wie auch türkischer Backwaren und die bis auf den letzten Platz besetzten Tische bezeugen schon lange die Populärität des Ladens. Das geht so weit, dass selbst bei frostigen Temperaturen der Außenbereich hochfrequentiert ist und es sich die Kunden, ausgestattet mit schwarzem Tee und roter Decke, schmecken lassen. Vor allem zu Mittagszeiten herrscht im überschaubaren Laden viel Betrieb.

Heiß begehrt sind natürlich die frischen Gözleme, welche an einem separaten Schalter angeboten werden. Für den typisch türkischen Fladen mit wahlweise Kartoffeln, Schafskäse oder Honig stehen sich zahlreiche Offenbacher – egal ob Berufstätige in der Mittagspause oder Schüler nach der 6.Stunde- bereitwillig die Beine in den Bauch.

“Das  Preis-Leistungs-Verhältnis   hier
stimmt einfach. IMG_6857-(Kopie)Da kann man sich was Leckeres auch fürs kleine Geld leisten“. „Diese Bäckerei hier ist einmalig“. „Für sowas liebt man Offenbach“. Schwärmende Stimmen der Kunden, die sich nach unseren Rückfragen gleich wieder ins Getümmel stürzen, um an der Einpackstation Brezel und Blätterteig-taschen in mehreren Papiertütchen zu verstauen. Direkt neben dieser leicht nach Wühltisch anmutenden Theke führt seit neuestem eine steile Treppe zu Manti Time.

IMG_6704-(Kopie)Auch wenn der Betreiber derselbe ist, oben im Lokal herrscht ein gänzlich anderes Setting. Ein in den Boden eingebauter Bildschirm, extravagante Stühle und der Kronleuchter an der Decke sind erste Blickfänge. Beim genaueren Hinsehen entdeckt man verschiedene Wandbilder von Istanbul, die zusammen mit der landestypischen Musik im Hintergrund osmanische Kultur beimischen.

Der Ayran Brunnen sprudelt und schäumt. Traditionelle Tassen aus dünnem Glas, Kännchen in Silber und Untertassen mit schönen Gravuren gibt es für den authentischen Teegenuss.

IMG_6645 (Kopie) Wie unten, ist auch hier eine Dame in weißer Arbeitskleidung mit Kneten, Ausrollen und Füllen von Gözleme Fladen beschäftigt. Als Vorzeige-Gericht gilt allerdings nicht dieser Diback-Dauerbrenner, sondern viel mehr die namensstiftenden Manti. Zwar auch mit Hackfleisch, Spinat oder Schafskäse gefüllt, ähneln sie eher IMG_6780-(Kopie)Nudeln, türkische Tortellini sozusagen. Die Speisekarte enthält ausschließlich türkische Gerichte, vom Frühstück bis hin zur Lammkeule. Auch für eine breite Dessert-Palette ist gesorgt, allerdings ganz ohne Schoko-Doughnuts oder Apfeltaschen. Vielmehr werden Milchreis und Baklava von den schicken Kellnern gebracht, die gern für ein Schwätzchen am Tisch Halt machen.

Noch befindet sich Manti Time in der Startphase und erst die Zeit wird zeigen, ob auch hier Potential für des Offenbachers liebste Gastro schlummert. Eine gute Basis dafür hat es ja schon mal.

Give them a house

Wir sitzen im kleinen Office von Butternotmargarine, dem Offenbacher Online Fashionstore. Bei uns sind Oli und Sarah, ein junges Paar und Teil des Teams. Der eigentliche Grund für unseren Besuch ist allerdings nicht Wissbegier nach Mode, sondern vielmehr die Charity Atkion, welche schon seit einer Weile auf dem Blog von Bunoma läuft. „Give them a house“ wird auf einer schwarzen Beanie postuliert, der Reinerlös wird gespendet heißt es weiter und wir wollen wissen, was dahinter steckt.

IMG_6581Sarah und Oli von Bunoma. Normalerweise hinter der Kamera, posen die Beiden diesmal höchstpersönlich in der Charity-Beanie für on off.

Dazu muss ich, Lilian, von den beiden allerdings zuerst einmal aufgeklärt werden, dass „Beanie“ eigentlich nur den besonderen Schnitt der Mütze beschreibt und  sofort wird mir wieder bewusst, warum ich nicht für einen Modeblog schreibe. Nachdem das geklärt ist, sind Paul und ich an den Basics der Charity interessiert. Für wen oder was wird eigentlich gesammelt? „Wir unterstützen den Kältebus und damit eine Aktion des Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e.V. Der Bus kümmert sich um alles, was Obdachlose in der Nacht gut brauchen können: Von Tee über Decken bis hin zum kostenlosen Transport zur nächstgelegenen Übernachtungsstätte“, erzählt Oli. Jährlich von Oktober bis April ist der Kältebus auf Tour. Jede Nacht von 21 bis 5 Uhr morgens.  „Es ist klar, dass die ganze Sache schon ins Geld geht. Ausgaben für Essen, die Materialien, auch Benzin – das ist ja alles nicht günstig“, meint Sarah. Wirklich viele Spenden nehme der Verein allerdings nicht ein, um diese Ausgaben problemlos stemmen zu können. „Es gibt keine Flyer, keine Werbung, daher auch absolut kein Bewusstsein für die Sache. Wir wollen uns für die Bekanntmachung stark machen.“ Aber wie kommt der Onlinestore eigentlich zur Wohltätigkeit interessiert uns. „Der Oli macht schon immer was mit Charity!“, platzt es aus Sarah heraus und wir erfahren, dass der DJ, als Teil der Offenbacher Partykombo „Caroli“ schon häufig an Veranstaltungen für den guten Zweck mitgewirkt hat. Auflegen zu Gunsten der Offenbacher Kinderklinik oder für den Weltaidstag. Mit „Give them a house“ wird nun das erste Baby im Stil des jungen Fashion Stores aufgezogen. Losgelöst von Szenemusik ist das Ganze dann aber doch nicht: Das Logo der Kampagne wurde von Dominik Keller, Mitglied des DJ Duos „Stereohaunts“ entwickelt.

IMG_6572Aber wir kommen zurück zur Aktion selbst. Wie arbeitet der Kältebus überhaupt? „Eigentlich ganz einfach“, meint der junge Unternehmer. „Ein kleines Team, meistens zwei Leute fahren in der Nacht rum, lesen Hilfebedürftige von der Straße auf und versorgen sie mit dem Nötigsten.“ Oli hat sich mit den Leuten des Vereins getroffen, viel mit ihnen geredet und man merkt, dass er sich mit der IMG_6592 (Kopie)Sache intensiv auseinander gesetzt hat. „Ich habe großen Respekt vor den Leuten – das ist n´ roughes Business! Die Fahrer sind in der Nacht unterwegs und helfen. Auch wenn viele gar keine Hilfe wollen. Da fängt man sich wohl auch schon mal eine…“. Ein ziemlicher Dämpfer, wenn man eigentlich für eine gute Sache steht. So geht es Butternotmargarine leider auch hin und wieder: Einige böse Stimmen sehen in der Charity „Give them a house“ pure PR, den Versuch, mehr Absatz zu generieren. Aber Oli sieht die Sache locker:  „Klar verkaufen wir die Mütze in unserem Store, aber der Erlös geht einzig an den Kältebus. Und was ist falsch daran, „Give them a house“ auf unserer Plattform zu kommunizieren? Wir verbinden diese zwei Dinge. Für nen guten Zweck.“  So eine Form der Unterstützung ist im Rhein Main Gebiet auch mehr als nötig, finden die Beiden: Rund um Berlin zum Beispiel sei eine höhere Awareness da, was die Unterstützung von Obdachlosen anbelangt: „Da gibt´s nicht nur einen Kältebus im Umkreis wie hier – sondern viele verschiedene Anlaufstellen, die auch präsent sind in den Köpfen der Leute.“ Hier wüssten viele nicht einmal von der Existenz solcher Institutionen. Aber das war nicht immer so. Ein „Movement“, wie es Oli beschreibt, gab es auch hier mal. „Vor gut 10 Jahren hat Sven Väth eine regelmäßige Partyreihe musikalisch unterlegt, die für Heimatlose gesammelt hat. Mit Off Locations und House hat er echt viele Menschen zusammengebracht, die sich dann auch mit dem Problem auseinander gesetzt haben.“ Die Events liefen damals unter dem Namen „Give them a house“ – und sind damit auch Namensstifter für die Kampagne von Butternotmargarine. Musik, Mode und Charity kommen stärker überein als wir dachten, aber es passt, finden Paul und ich.

Eine Beanie tragen, Geld spenden oder die Notfallhotline im Handy speichern, für den Fall, dass man Obdachlose nachts  auf der Straße sieht  – ganz egal. Das Wichtigste ist, Bewusstsein für den Kältebus und seine Mission zu haben und zu schaffen. On off ist dabei.

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