Tertiärisierung
Archiv für den Monat August 2013
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Haltlos
So lautet der Arbeitstitel des neuen Films, den David gerade an 64 verschiedenen Drehorten in und um Offenbach herum dreht. Es ist das Spielfilmdebut des 31-Jährigen Autodidakten, dessen Portfolio bereits rund 15 Kurzfilme umfasst. Das Budget von rund 8.000 Euro hat er dafür selbst angespart. Zuvor hatte er über ein halbes Jahr am Drehbuch geschrieben, ein Storyboard erstellt, Schauspieler gesichtet und allerhand Genehmigungen einhohlen müssen, bevor es mit den Dreh- arbeiten losgehen konnte. Nach gut 6 Wochen Drehzeit, treffe ich ihn am Set zu einem kleinen Interview.
Onoff: David, dein neuer Film ist so gut wie abgedreht. Erzähl doch mal ein bisschen von der Handlung.
David: Also ich will noch nicht zu viel verraten. Es geht um einen Versicherungsangestellten Anfang fünfzig, der hoch verschuldet ist. Seine Frau will sich vorübergehend von ihm trennen. Er hat einen kleinen zwölfjährigen Sohn. Um es kurz zusammenzufassen geht es um die Selbstfindung eines Mannes, der eigentlich glaubt, sein ganzes Leben sei schon vorbei. Er läuft gehemmt durchs Leben, ist selbstverachtend und wird von allen Seiten unter Druck gesetzt. Überall sind Probleme um ihn herum. Er hat nicht das Selbstvertrauen um etwas zu ändern. Und im Verlauf des Filmes schafft er es ganz langsam aus sich heraus zu gehen und langsam sein Selbstbewusstsein wieder anzukurbeln. Also im Endeffekt ist es eine Geschichte wie ein Mann es schafft, durch Eigeninitiative sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ich kann auch kurz die Logline sagen, das klingt ein bisschen dramatischer: Anfang fünfzig, hochverschuldet und sozial isoliert, rast Erik Wek eines Nachts nach einem heftigen Streit mit seiner Frau über die Autobahn und schneidet einen alten Volkswagen. Als dieser ihm folgt, merkt Erik schnell, dass seine wirklichen Probleme gerade erst begonnen haben. Er ist gezwungen, aus seiner Passivität auszubrechen.
Onoff: Wie war der Entstehungsprozess von „Haltlos“? Woher kam die Idee?
David: Die Idee zum Film beruht auf einer eigenen Erfahrung. Im Dezember 2011, nach einem heftigen Streit mit meiner Ex-Freundin bin ich über die Autobahn gefahren, bin am Offenbacher Taunusring rausgefahren und bin ziemlich rasant an einem Auto vorbeigefahren. An der nächsten Ampel habe ich gehalten und habe das Auto vorher aber gar nicht so wirklich wahrgenommen. Ich weiß aber noch, dass es ein alter roter Golf war. An der übernächsten Ampel kam dieser Wagen dann auf einmal angeschossen wie ein Geisteskranker, weil er sich anscheinend durch mich provoziert gefühlt hat, weil ich vorher so an ihm vorbeigerauscht bin. Er hat dann so krass Gas gegeben, dass ich ihm hinterher gefahren bin. Er hat mich ganz knapp vorm McDonald´s geschnitten und ist in den Drive-In reingefahren, wo ich aber tatsächlich auch hin wollte. Ich habe da nur gesehen, dass zwei junge Typen drin saßen. Ich hatte extreme Wut und bin denen dann, nachdem ich mein Essen hatte, auch weiter hinterher gefahren ins Lauterborn. Es war eigentlich total bekloppt denen Nachts hinterher zu fahren. Dann bin ich vor an eine Ampel und die haben dann gemerkt, dass ich ihnen gefolgt bin und haben sich wahrscheinlich gedacht, was ist das für ein Geisteskranker. Wir standen dann irgendwann also parallel an einer Ampel am Odenwaldring. Auf einmal geht dann das Fenster von dem Auto runter und der Fahrer schreit wie ein Wahnsinniger zu mir rüber. Das war so ein Bild, was sich bei mir im Kopf eingebrannt hat. Ich bin dann schnell zurück nach Hause gefahren und die nächsten zwei, drei Tage habe ich mich dann reingesteigert in die Vorstellung, was wäre wenn die mich nochmal wiedersehen würden mit dem Auto. Dann hat sich angefangen so eine Sache im Kopf zu entwickeln, dass ich schon gemerkt habe, das wäre super Stoff für einen Film und habe dann irgendwann diese Hauptfigur kreiert, den Erik Wek. Und das hat sich dann alles so entwickelt, dass ich dann praktisch diese Figuren ausgetauscht habe. Im Film ist es dann genau das Umgekehrte. Erik Wek schneidet dieses Auto und der VW Fahrer folgt ihm durch die Nacht. Und dann geht es darum, dass er sich in einen Zustand aus Paranoia reinsteigert und dann tatsächlich diesen VW Fahrer nochmal wiedersieht. Mehr sag ich aber nicht dazu. (lacht)
Onoff: Nach welchen Kriterien hast du deine Drehorte ausgesucht und war es dir wichtig, dass deine Heimatstadt Offenbach im Film auftaucht?
David: War es auf jeden Fall. Es ist mir selbst in Offenbach passiert. Ich hab aber zunächst kurz überlegt, auch in Paris zu drehen, weil ich den Kurzfilm davor in Paris gedreht habe und auch starken Bezug zu Paris habe und wirklich Lust hab da noch weitere Sachen zu drehen, was ich auch machen werde, weil ein guter Freund von mir aus Paris auch in dem Film mitspielt, der Yann Sorton. Aber eigentlich war mir von vornerein klar, dass keine andere Stadt in Frage kommt, weil die Geschichte hier passiert ist und ich das auch sozusagen Offenbach schuldig bin, hier meinen ersten langen Spielfilm zu drehen. Ich habe auch eine sehr starke Verbundenheit zu dieser Stadt auf jeden Fall. Auch von der Thematik der Geschichte hat es sich extrem angeboten, weil die Gegensätze der Gesellschaft hier oftmals besonders deutlich werden. Hier leben einfach so viele Kulturen zusammen an einem Ort und das macht auch den Charme und Charakter der Stadt aus. Und besonders in diesem Fall, für die Geschichte eines Thrillers, waren diese Gegensätze für mich ganz wichtig. Es geht ja genau darum, dass diesem Versicherungsangestellten, der Angst vor jeglichen Konfrontationen, insbesondere mit jungen Leuten aus anderen Gesellschaftsschichten hat, so etwas passiert. Dass nämlich er so ein Auto schneidet, wo genau so ein Mensch drin sitzt, der aus einer Plattenbausiedlung kommt und einen Drogenbackground hat und jetzt nicht gerade einer ist, dem der Versicherungsangestellte gerne begegnet wäre. Er wird genau damit konfrontiert, wovor er eigentlich am meisten Angst hat. Deshalb war Offenbach prädestiniert als Drehort…ohne jetzt mit Klischees arbeiten zu wollen. Es wird jetzt im Film auch nicht in irgendwelchen Schubladen gedacht aber es bietet sich an, weil hier in dieser Stadt halt…(überlegt) …ihr wisst ja wie´s hier aussieht (lacht).
Onoff: Seit wann machst du Filme?
David: Seitdem ich 14 bin. Also das war mein erster Film. Dann hab ich leider ein paar Jahre verschwendet und keine Filme mehr gemacht. Aber mit 14 war der erste Kurzfilm. Der lief hier auch im offenen Kanal in Offenbach. Da hab ich leider keine Kassette mehr…
Onoff: Wie hieß der Film?
David: Scream or Die. Ich hab danach ein Paar Jahre meiner Jugend genossen und nichts mehr mit Film am Hut gehabt, außer Filme zu schauen, wie jeder Andere auch. Dann kam der Impuls im Jahr 2003, als eine gute Freundin zu mir gesagt hat, ich soll doch einfach mal wieder einen Kurzfilm machen. Mit ihr hatte ich damals auch den ersten Kurzfilm gedreht, da hat sie mitgespielt. Das heißt jetzt mach ich seit zehn Jahren genau wieder Kurzfilme.
Onoff: Hast du ein bestimmtes Publikum im Kopf wenn du einen Film machst? Für wen machst du Filme?
David: In aller erster Linie für mich selbst, auf jeden Fall. (trinkt einen Schluck) Dann habe ich einen ganz besonderen Anspruch und besonderen Geschmack bei Filmen. Im Moment, seit den letzten drei, vier Jahren, kann man sagen, ist mein Fokus extrem -also Thriller war schon immer mein Lieblingsgenre- aber der Fokus liegt mittlerweile wirklich auf Arthouse Produktionen, kann man sagen. Vor allem Michael Haneke’s „Caché“ ist eine extreme Inspiration für diesen Film gewesen, weil der Film mich absolut begeistert und er mich nicht mehr loslässt, seitdem ich ihn gesehen habe. Absolut genialer Film, kann ich wirklich nur jedem empfehlen. Dann rumänisches Kino, französisches Kino, koreanisches Kino, skandinavisches Kino, das sind für mich die absoluten Favoriten Länder, die Filme produzieren, die mich auch beeinflussen. Die sind auch ein Vorbild für mich, vom stilistischen her und natürlich auch von der Handlung. Weil da sehr viel reduziert gearbeitet wird. Das hab ich jetzt auch bei meinem ersten Spielfilm so versucht, dass man auch die Einstellungen so lange wie möglich hält und gar nicht schneidet. Früher habe ich das anders gemacht, da war ich extrem vom amerikanischen Kino beeinflusst, hab viel auf Close-ups umgeschnitten und sowas. Das mache ich mittlerweile überhaupt nicht mehr. Es gibt natürlich Schnitte aber ich versuche die Einstellungen so zu halten, dass du die Szene wie ein Beobachter miterlebst und nicht irgendwie rausgeworfen wirst durch irgendwelche Schnitte, die es dann wieder künstlich filmisch machen. Also ich versuche einen sehr realistischen Film zu machen.
Onoff: Das war dein bisher aufwändigster Film. Was war für dich als Autodidakt dabei am schwierigsten.
David: …(überlegt) Ich habe ehrlichgesagt gemerkt, dass es gar nichts gab wo ich gemerkt habe, dass ich wirklich nicht mehr weiter komme; ob’s bei der Vorproduktion war, oder bei den ganzen Posten, die ich übernommen habe…also die Leute haben jetzt gesagt bei dem Dreh, dass ich die Arbeit von fünf Leuten gleichzeitig mache. Ich war auch selbst Beleuchter, mit schweren Stahlstativen und Lampen die geschleppt werden mussten. Durch den Dreh habe ich mir jetzt auch so viel Neues beigebracht, durch die indirekte Beleuchtung, was ich vorher nie gemacht habe zum Beispiel. Dann habe ich die Kamera geführt, und immer im Kopf gehabt, was die ganzen Darsteller für Kleidung tragen sollen, also habe die ganzen Kleiderlisten, die Prop Listen, den Drehplan, alles im Kopf gehabt, also nicht nur im Kopf, sondern auch im Handy und natürlich in unseren Unterlagen. Ich musste an alles gleichzeitig denken. Also von der Anstrengung her war´s schon extrem starker Druck und ich war auch die letzten drei Tage davor sehr aufgeregt und habe kaum Schlaf gefunden. Das ist auch bei jedem meiner Projekte so, dass ich vorher extreme Panik bekomme und sich das dann aber so langsam einpendelt….(überlegt)… aber die Frage war ja was ich am schwierigsten fand. Natürlich wünscht man sich immer, dass man mehr Geld zur Verfügung hätte und Sachen dann anders machen könnte. Wobei ich ganz ehrlich sage, dieser Druck den wir alle hatten, war genau richtig. Hätte ich jetzt drei Beleuchter noch dabei gehabt zum Beispiel, durch finanzielle Mittel, hätte ich mir selbst wahrscheinlich nie diese Beleuchtungstechniken beibringen können. Dadurch habe ich jetzt so profitiert für die Zukunft, dass ich das eigentlich genial finde, dass wir so gearbeitet haben. Was ich für mich oft schwierig fand, war wenn die Schauspieler untereinander viel herumalbern während dem Dreh. Eigentlich bin ich ein sehr humorvoller Mensch, und die Schauspieler waren zwar gleichzeitig konzentriert aber man muss dieses Level finden, auf dem man gut arbeiten kann. Die zwischenmenschliche Ebene ist enorm wichtig. Es hat sehr gut funktioniert alles. Bis auf einen kleineren Konflikt mit dem Hauptdarsteller war alles super.
Onoff: Was war für dich persönlich der größte Erfolg, filmisch gesehen?
David: Noch gar nichts ehrlich gesagt….(überlegt)…
Onoff: …oder der schönste Moment?
David: Das am Ende selbst zusammen zu bauen und sich dann zu erfreuen, dass man was eigenes geschaffen hat. Eine Geschichte aufzubauen, das ist eigentlich für mich der schönste Moment. Sobald man den Film schneidet und man den Film dann so kreiert wie man ihn im Kopf hat, hoffentlich, und das Ding zum Leben erweckt. Das ist für mich dann der glücklichste Moment, in dem ich wirklich stolz bin und mich richtig freue wie ein kleines Kind und ich merke, der Film gewinnt so eine Art Eigenleben und läuft ab und du kannst ihn nicht mehr stoppen sozusagen, weil er seine eigene Dynamik erhällt. Aber ehrlich gesagt habe ich vorher noch keinen Film auf einem Festival gehabt. Trotzdem habe ich filmisch gesehen immer Spaß. Auch dadurch dass ich selbst Kamera mache und mir die Bildgestaltung sehr viel Spaß macht. Am Set gibt es natürlich auch immer gute Momente aber es gab jetzt eigentlich nicht den einen Moment, weil ich bisher noch keinen Erfolg hatte.
Onoff: Was wünschst du dir für diesen Film?
David: Ich wünsch mir, dass er auf einem Festival läuft und gerne von Menschen gesehen wird … und ein guter Film wird.
Onoff: Hast du schon Pläne für ein neues Projekt?
David: Das hatte ich vor diesem Film sogar schon. Also Pläne nicht wirklich aber eine Idee, eine kleine Idee.
Onoff: Dankeschön.
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