Was liebst du an Offenbach?

„Nichts.“

Fast die Hälfte der Menschen, gaben mir auf mein Nachfragen diese knappe Antwort. Spontan versteht sich. Beim längeren Überlegen, beim Durchforsten der Erinnerungen, die man in und mit Off hat, sind bei manch einem dann doch noch positive Gedanken aufgekommen. Der heutige Shortcut ist ein kleiner Taumel zwischen Zu- und Abneigung. Er zeigt, was die Offenbacher an ihrem zu Hause mögen. Oder auch nicht.

Fern ab von gut und böse, weg vom schlechten Ruf und Haftbefehl – mein Credo, nicht nur von dieser Woche, sondern vielmehr das der letzten Monate ist:
Ich lebe in einer liebenswerten Stadt.

Und was ist deins?

Seelenwände

Man liebt nicht unbedingt Offenbach. Aber die Menschen hier lieben. Fußballvereine, Musik oder einander. Daran lassen sie die Stadt teilhaben. Mit Worten, die sie auf Wänden festhalten, Bäumen, in Schnee oder hier und da auch mal auf einem Stromkasten. Wir wollen Off in Stimmung bringen  – für den Valentinstag. Also lehnt euch zurück, macht euch nen netten Song an und lasst euch berieseln von words off love.

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A little Stop by

Sonntag Nachmittag. Ich habe keine Filter mehr, also ist es für mich unumgänglich. Ich brauch nen Kiosk, n´ Wasserhäusschen. Oder eben dieses Internetcafe von gegenüber. Ich betrete also den kleinen Laden und das Erste, was mich empfängt, lässt mir die Lust auf Zigaretten eigentlich schon wieder vergessen: Es liegt ein starker kalter-Rauch in der Luft. Nichtsdestotrotz ich halte an meinem Plan fest, gehe rüber zur kleinen Theke. Mit einem Seitenblick nach links sehe ich einen langen Schreibtisch mit vielen Bildschirmen bestückt, alle durch diese typischen Trennwände, die vor den Blicken des Nebenmanns schützen. Mit einem weiteren Blick, diesmal zur Rechten, entdecke ich Telefonkabinen. Ich hatte mal ne Freundin, die ein Auslandsjahr in North Carolina machte, daher kenne ich das Gefühl in diesen kleinen Kabinen zu hocken, beobachtet von den Leuten die rein und raus gehen und mit einem Menschen zu telefonieren, der tausende Kilometer entfernt ist. Der Blick nun nach vorn. Marlboro, Luckies, Pepe, alle sind sie da. Von Drehtabak zu Zigarillos. Bedient werde ich von einem Herrn, der ein Hemd trägt, darüber einen dunkelblauen Pullover. Auf seiner Nase sitzt eine Brille, darunter ein schwarzer Schnauzer. Er versteht mich zunächst nicht so richtig, als ich nach den Filtern frage, ich hole mir gleich auch neue Papes und auch hierbei gibt es leichte Verständigungsprobleme. Trotzdem. Wir kommen ins Gespräch.

Zadram kommt aus Afganhistan und ist für die Arbeit nach Deutschland gekommen. Schon lange lebt er hier, zuerst hatte er in Stuttgart gewohnt, in Feuerbach um genau zu sein. Dort mochte er es lieber, die Menschen in Offenbach seien laut, aggressiv und wären nicht freundlich. Oft sei die Polizei in der Gegend. Diese käme, wenn es Probleme in den verschiedenen Bars der Straße gäbe, auch oft zu ihm rein. Die uniformierten Männer verlangten dann Ausweise. Das wäre nicht schön und würde die Kunden vertreiben. Die Kunden, das sind alle. Von Passanten, die wie ich nur kurz mal „Kippen“ kaufen, bis hin zu jungen Leuten, die sich mit den letzten Rationen Alkohol am Abend eindecken. Außerdem natürlich die, die daheim nicht über einen Internetanschluss verfügen. Gibt’s das noch?! Frag ich mich innerlich und drehe mir währenddessen eine Zigarette. Ja . Die gibt es. Und viele befinden sich gerade hier, hauptsächlich ältere Männer, aber auch vereinzelt Jugendliche und eine Frau entdecke ich, die mit einem Zigarillo am Computer gleich neben der Tür sitzt. Sie schaut sich Videos auf Youtube an und notiert ein paar Dinge auf einen kleinen roten Zettel. Ich schaue nicht weiter hin, durchstreife mit meinen Blicken den Rest des Internetcafes. Die anderen sind mit Kopfhörern versorgt und skypen oder bestätigen Freundschaftsanfragen auf Facebook. Andere spielen auch Onlinegames. Ist das nicht teuer? Frage ich Zadram. Nein nein – 1 Euro 1 Stunde. Das ist gut. Ob sich das Geschäft rechnet, interessiert mich weiter. Viel sei es nicht, meint der Verkäufer. Aber es reicht, um zu leben. Ich biete ihm an, mit meinem Tabak eine Zigarette zu drehen, aber er raucht gar nicht. Zadram findet daran nichts Gutes, Wasserpfeife ab und an mal, aber es macht ihm keine große Freude. Spaß hat er aber in seinem Job. Die Menschen, die sonst so anonym an ihrem Tischchen sitzen, blicken auf, als Zadram sie mir vorstellt. Viele scheinen häufiger zu kommen – täglich sogar – meint er. „Alles Familie!“ und „Zadram ist Papa“ meint einer der jüngeren Männer, klopft Zadram auf die Schulter und kichert. Sie verlieren schnell das Misstrauen, für gewöhnlich gehen die Passanten so schnell, wie sie kommen, nur fix ne Cola (Das geht am besten weg, meint Zadram) und dann wieder raus. Ich merke, dass sie sich dennoch über mich wundern, sie sprechen in einer Sprache, die ich nicht erkenne, schauen mich immer mal an. Zadram ist erstaunt als ich ihm antworte, dass ich aus Offenbach komme. Kann nicht sein! – Warum? – Weil du freundlich bist. Die meisten anderen von hier, sind nicht nett, sagt er in gebrochenem Deutsch. Ich muss lächeln, aber versichere ihm gleichzeitig, dass es viele Offenbacher gibt, die nett sind. Freundlich.

Und plötzlich geht es gar nicht mehr um Internet, um die Kundschaft, um Telefonkarten. Es geht darum, dass Zadram sich hier nicht wohlfühlt, dass er aber gebunden ist, an diesen Laden, diese Stadt, um seine Existenz zu bewahren. Er hört gern auch Dinge von mir, mit was ich mein Geld verdiene, warum ich gerade hier lebe, freut sich, mir von seiner Arbeit zu erzählen, was sie alles im Angebot haben (von Süßigkeiten über Lichterkette bis hin zur Tastatur), freut sich, onoff anzuschauen, als ich ihm den Sticker rüber reiche. Er liest einige Artikel an, langsam und leise sagt er sich die Worte vor. Er hat Probleme damit zu verstehen, um was es geht, aber er streift durch den Blog, schaut sich gerne die Bilder vom Markt an. Meine Zigarette ist schon lange ausgeraucht. Auch wenn er mir immer noch nicht glaubt, dass ich etwas mit diesem Blog zu tun habe, weil nirgends ein Bild von mir zu sehen ist, versichert er mir, bald nach diesem Artikel zu sehen. Er freue sich schon. Der Heimweg ruft, dieses kurz angedachte Zigarettenholen hat etwas länger gedauert. Zadram will mir noch nen Kaffee anbieten, aber ich muss nun wirklich los. „Na gut, dann morgen früh, wenn du zur Arbeit gehst. Ich bin da.“

Ich weiß ab heute, dass ein verrauchtes Internetcafe gar nicht so zwielichtig ist, wie es manchmal wirkt. Und Zadram weiß nun, dass es auch freundliche Offenbacher gibt.