Aktzeichnen mit Wolfgang

Als ich bei ihm klingele, ist Wolfgang noch nicht da. Ich stehe also erstmal ein wenig fröstelnd vor der Tür des Mietshauses in der Andrestraße 3. Wieder krame ich den zerknitterten Flyer aus meiner Tasche hervor, den mir Wolfgang im Hafen 2 am Wochenende zuvor in die Hand gedrückt hatte. „Offene Zeichengruppe für alle die Lust haben sich im Aktzeichnen zu probieren“ Ganz ohne Kommata. Aber Satzzeichen sind beim Malen nackter Menschen auch nicht ausschlaggebend. Weniger aus Liebe zur Kunst, mehr aus Neugier bin ich hergekommen. „Welche Stimmung herrscht wohl – wie ist es für das Modell vor einer Handvoll blickdurstigen Zeichnern zu posieren – in einem privaten Aktzeichenkurs?“ frage ich mich als Newbie auf diesem Gebiet. Meine schwirrenden Gedanken finden ein schnelles Ende als ich ein Fahrrad bremsen höre. Wolfgang steht hinter mir, ein Mann mit schulterlangen, rotblonden Locken und Brille. Er hat ein gutmütiges Gesicht und ist etwas überrascht mich vor seinem zu Hause anzutreffen.

„Wie schauts bei dir mit Hunger aus?“ fragt er mich erstmal, noch leicht schnaufend, als wir ganz oben im 4. Stock in seiner Wohnung angekommen sind. Ich bin mit grünem Tee zufrieden, während Wolfgang noch schnell vor Kursbeginn eine heiße Hühnersuppe löffelt. Ich starte mit meiner Standard-Eisbrecher-Frage: „Lebst du gern in Offenbach?“ Tut er. Offenbach hat was, ist gut für Fahrradfahrer, lobt er. „Frankfurt ist da ganz anders – so beengend.“ Wolfgang arbeitet in der hochfrequentierten Stadt, genauer in der Uni-Bib . Gebürtig kommt er aus Hannover. Obwohl er eine Ausbildung zum Bibliothekar gemacht hat, kam er in Kontakt mit der Kunst. So hat Wolfgang zum Beispiel auch eine Aufnahmeprüfung für ein Kunststudium erfolgreich absolviert, sich allerdings doch gegen die „freie“ Kunst und für das Bibliothekswesen entschieden. Nichtsdestotrotz kann er auf ein Engagement in einem Gemeinschaftsatelier zurückblicken, dass sich Anfang der Neunziger für ihn aufgetan hat. Hier ist er auch ans Aktzeichnen gekommen, hat Erfahrungen gesammelt und ein vorzeigbares Können erlangt. Worin genau seine Arbeit im Atelier bestand, interessiert mich. „Ich hab alles gemacht – gezeichnet, Modell gestanden, organisiert. Es gibt viele Kunstlehrer, die nicht posieren würden, aber das halte ich für falsch “ Aha. Auch Wolfgang war und ist heute immer noch „wenn Bedarf ist“ ein Modell für seine Schüler. „Irgendwann in der Jugend hat sich bei mir ein Hebel umgelegt. Ich war nackt baden und mach das auch heute noch. Ich fühle mich dann frei.“ Ist das der Grund, warum er einmal wöchentlich Aktkurse bei sich zu Hause anbietet? Ums Geld kann´s ihm jedenfalls nicht gehen, schließlich legt er trotz der 10 Euro Kursgebühr sogar eher drauf: die Heizung muss ob der nackten Haut ja doch höher gestellt werden und schließlich will auch optimale Beleuchtung mittels verschiedener Scheinwerfer gewährleistet sein – das frisst Strom und Gas. Nein. Es ist die Faszination Körper, die bare Natur von Schönheit. „Nackte Menschen – vor allem Frauen- sind für mich einfach schön. Ich bin kein religiöser Mensch. Aber wenn ich Gott jemals antreffen sollte, würde ich ihm sagen „Du hast schon viel Mist produziert, aber der weibliche Körper – das hast du gut gemacht.““  Eine Erklärung dafür, warum er zahlreiche seiner Zeichnungen, die fast alle (auf wenigen anderen in der Küche sind abstrakte Farbenflächen zu sehen) nackte Frau darstellen, überall in seiner Wohnung (sogar in seinem Badezimmer) aufgehängt hat. „Mich stimmen diese Damen einfach positiv. Und es ist toll morgens beim Aufstehen in eine gute Laune zu kommen. Auch, wenn die schnell vorüber ist, sobald man das Radio anmacht“, fügt er mit etwas düsterer Miene hinzu.

Im nächsten Moment huscht er kurz raus – der Heizlüfter muss noch angeschaltet werden, damit es für das Modell während der 2 Stunden, die der Kurs dauert, nicht fröstelt. Ich folge ihm – bin gespannt wie das Zimmer ausschaut, in dem Kunst gemacht wird. Die Wände sind mit Bücherregalen zugestellt, welche Scheinwerfer wie Kronen tragen. Gerichtet sind die Lichter auf ein kleines Podest an der Wand zum Schlafzimmer hin. Die Bühne des Modells. Zusätzlich gibt es noch eine Matratze mit einem braunen Schafsfell bedeckt, einen großen Tisch, noch höher als das Podest und einen schwarzen Holzstuhl als handliches Requisit. Überall steckt L´Arte.In der Ecke ist eine Staffelei zu sehen, auf dem Boden liegen viele Blei- und dicke schwarze Filzstifte, gleich über einem Berg von Zeichnungen. Er schiebt sie beiseite und schon steuern wir zurück in die Küche und sind immer noch beim Thema.

„Akt ist eine Art Befreiung, ein Ausbruch aus Alltagskonventionen und Zwängen. Die werden abgeworfen.“ Man spürt, dass sich Wolfgang auch in philosophischer Hinsicht mit seiner Leidenschaft beschäftigt hat. Und dann wird es doch wieder fast religiös, weil für den leidenschaftlichen Maler diese Form der Kunst schon etwas Paradiesisches hat. Vielmehr eine Erinnerung daran, als es normal war, keine Scham zu empfinden. Dem Künstler wie auch dem Modell soll es ermöglicht werden, auf diese Unschuld zu treffen – sich selbst die Frage beantworten zu können: Was ist schön? Fühle ICH mich schön? Das Modell des Abends zumindest ist eine ausgeglichene 23jährige Studentin. Lena ist gerade angekommen, nimmt vorerst noch mit ihrem Mantel am Tisch Platz. Sie hat früher selbst gezeichnet, hat sich schon im Alter von 19 das erste Mal als Aktmotiv angeboten. Heute ist Lena in 6 verschiedenen Kursen tätig – sie ist erfahren, hat ein großes Repertoire an interessanten Posen. „Ich mag diesen Kurs hier gern, er ist sehr familiär“, erzählt sie und wie aufs Wort kommt Rolf die Tür rein, ein Mann um die 40, der sie gleich mit Händeschütteln begrüßt. „Ich hatte mir mal überlegt in die Kunst zu gehen – habe mich aber nicht getraut“, erzählt der  Herr während er zu einer Tasse grünem Tee greift. Gleich darauf kommt Jürgen, ein IT´ler, der sogar aus Aschaffenburg angereist kommt, um den Kurs zu besuchen. Er zeichnet nur in der Freizeit, ist aber dennoch mit professionellem Material ausgestattet. Ein dritter Man mit schulterlangem, leichtergrautem Haar erscheint pünktlich zum Beginn des Kurses um halb acht. Etwas verlegen frage ich Lena, deren ebenmäßige Haut und blasser Teint mir bei näherer Betrachtung auffallen, ob sie es nicht zu Beginn etwas schwer fand sich – mitunter auch nur vor Männern – frei zu machen. „Nein gar nicht“ antwortet sie nur knapp, aber freundlich. Es gibt für sie nicht mehr dazu zu sagen und so steht sie nach dem letzten Schluck Tee auf, um sich in Wolfgangs Schlafzimmer auszuziehen.

Mittlerweile ist noch eine weitere Frau eingetroffen. Sie ist Künstlerin mittleren Alters und nutzt die im Kurs entstandenen Zeichnungen als Vorlage für ihre Ölmalereien.Drei Künstler sind anwesend, eine Künstlerin, Wolfgang als Leiter und ich. Wir wandern in das präparierte Wohnzimmer. Der knapp 18 qm große Raum ist voll mit Zeichnern, großen Blöcken und Spannung. Als Lena den Raum verlässt, ist sie nicht länger von ihrem Mantel umhüllt. Der blasse Teint ihres Gesichts setzt sich am Körper fort. Sie hat zarte Haut. Routiniert bringt sie sich in Pose, die Arme über dem Kopf gestreckt. Auch die Zuschauer nehmen gewohnte Stellung ein, jeder sieht das Modell aus einer anderen Perspektive. Ich hingegen hocke etwas unbeholfen auf dem Boden, angelehnt an das Bücherregal und werfe 2mal fast die Staffelei um. Wolfgang erhebt das Wort. „So, wir starten wie immer mit 4mal 5 Minuten. Bist du soweit Lena – hast du was im Kopf?“- Lena nickt, das erste mal heute Abend, dass ich sie ein wenig angespannt erlebe. – „Alles klar, dann geht’s nun los!“, sagt Wolfgang laut und betätigt die Stoppuhr seines Handys.

Plötzlich ist es wie wild im Raum. Alle schauen begierig auf Lena, messen mit dem Bleistift ihre Vertikale und kneifen dabei ein Auge zu. Sie kritzeln auf den großen weißen Block vor sich. Auch Wolfgang ist eifrig dabei, kniet am Rande der Fellmatratze. Auf das Handy hat er stets ein wachsames Auge und gibt ab und zu an, wieviele wenige Minuten nur noch bleiben. Die Runden laufen schnell ab, keine Verschnaufpause, kein Radierer, kein entspanntes Sitzen. Lena bringt interessante Posen zum Vorschein, mal mit, mal ohne Stuhl, mal lachend, mal fast verärgert. Die Künstler nehmen das gerne auf, scheinen besessen von ihrer Erscheinung, sodass die Zeit für jeden Durchgang doch zu wenig ist und beim Herr der Uhr – Wolfgang – um eine kleine Verlängerung gebeten wird. Mit dem schnellen Wechsel der Posen soll das Auge geschärft werden. Der Künstler mit schulterlangem Haar, der sich selbst nicht als Künstler sondern Übenden begreift, erläutert, warum gerade diese schnelle Analyse des Körpers zur Verbesserung der Maltechnik hilft: „So achtet man auf die grundlegenden Formgebung, hält sich nicht mit Details auf. Man lernt sehen.“ Kurz ist eine Unterhaltung aufgekommen, da Paul ab jetzt auch Teil der geselligen Runde ist. Ich frage mich, wie er als gerade Angekommener die Situation wohl wahrnimmt, ob er sie als skurril oder einfach nur unangenehm empfindet. Er hat ein Platz vor der Tür gefunden, die Unterhaltungen ersterben schnell wieder – zu gespannt scheinen die Zeichner auf die nächste Pose zu sein.Zwar hat man nun eine lange Zeichenrunde von 8 Minuten (!), aber das scheint die Künstler nur noch ehrgeiziger zu machen. Die Zeit wird schon wieder knapp. Lena scheint ein wenig unter den längeren Posen zu leiden, ihr Gesicht ist mit einem glitzernden Film benetzt.

Dann – Pause. Aber nur kurz, weil wir ohnehin schlecht in der Zeit liegen, durch die Verlängerungen. Die zweite Hälfte scheint noch etwas anstrengender – Tatsächlich steigt die Temperatur im Raum, die rauchenden Köpfe machen sich bemerkbar, genauso wie hier und da ein knurrender Magen. Immer mal wieder bricht ein Zeichner in enttäuschtes Seufzen aus, wohl beim Versuch Lenas Formen möglichst getreu wieder zu geben. Trotzdem – wir staunen über die Qualität der  Zeichnungen, jeder Anwesende hat einen eigenen Stil, Wolfgang greift gerne Mal zum Filzstift während die Berufskünstlerin stets sehr weiche Striche zeichnet. Wir werden gebeten, den Raum zu verlassen. Die Klicks der Kamera, die Zwischenfragen. Ablenkungsfaktoren, die die Künstler verständlicherweise vermeiden wollen. Und so warten wir draußen in der Küche, bis man Stuhlgerücke hört. Die Stunde ist vorüber, vereinzelt werden Zeichnungen besprochen und Wolfgang gibt Tipps, wo was verbessert werden kann. Auch Lena schaut über die Werke, die von ihr angefertigt wurden. Sie scheint zufrieden. „Ich fand es sehr angenehm heute, zwar anstrengend – und ich weiss jetzt schon, wo ich morgen Muskelkater haben werde – aber schön“, berichtet die junge Frau. Auch Wolfgang ist wiedermal zufrieden mit der Stunde, auch wenn er zugibt, dass wir doch ein wenig den Ablauf störten. Trotzdem hat er sich gefreut, uns einen Eindruck vermitteln zu können. Von der Aktmalerei und seiner Motivation dafür. Und wer weiss, vielleicht wird ja Lena auch bald einen Platz an einer von Wolfgangs Wänden finden – als Gemälde, das ihm einen angenehmen Start in den Tag beschert und ihm ein Stück Paradies bewahrt.

Wallpaper Wednesday

Kurz nachdem ich dieses Foto schoß, hielt ein vorübergehender Mann plötzlich an,
drehte sich zum Weihnachtsbaum um, hob feierlich seine Hand und rief laut:
„Sehet da im Lichte – das Haus Nummer 6 in der Hermann-Steinhäuser-Straße.“

Frohe Weihnachten Offenbach.

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Warm werden

Als ich heute früh über den Markt gelaufen bin, hat es ungefähr eine viertel Stunde gedauert, bis meine Zehen angefangen haben vor Kälte zu bizzeln. Danach wurde meine Nase eisig. Nach etwa einer halben Stunde waren meine Gesichtszüge leicht eingefroren und ich konnte weder den Auslöser meiner Kamera betätigen noch gescheit ein Wort aufs Papier bringen. Gut – ich gebe zu, ich gehöre nicht zu den kälteunempfindlichsten Menschen, aber ich bin sicher, dass es so gut wie jeder Marktbesucher – und so muss es gesagt werden – arschkalt fand. Ich war nicht ohne Grund an diesem frostigen Offenbacher Morgen unterwegs. Inspiriert von der Kälteempfindlichkeit des eigenen Leibs, habe mich bei den vielen tapferen Marktverkäuferinnen und -verkäufern auf dem Wilhelmsplatz nämlich danach erkundigt:

Wie bleibt man warm, an einem frostigen Markttag wie diesem?

PS. Bitte die Bilder in der Galerieansicht anschauen, um die heißen Tipps der Verkäuferinnen und Verkäufern im Beschriftungstext lesen zu können.

Der Fahrrad-Komplex

Warum fährt ein Fahrrad?
Dies war eine der Fragen, mit der wir während unseres Besuchs bei der Fahrradgesellschaft konfrontiert waren. Als Quizmaster fungierte der Inhaber des kleinen Fahrradladens selbst. Erik Meyer ist seiner Meinung nach zwar kein Meister seines Fachs, aber immerhin schon seit bald 30 Jahren ist im Geschäft – sozusagen der Frank Elstner der Zweiräder.

Herzlich und mit hessischem Dialekt begrüßt er uns, als wir im Hinterhof in der Bahnhofstraße auftauchen. Viele Reparaturräder sind nebeneinander aufgestellt. Nicht verkäuflich ist allerdings Eriks Schatz. Denn mitten zwischen dem durchaus in die Jahre gekommenen Blech, ist ein dreirädriger Kabinenroller zu entdecken, ein Hudson ähnlich einem Messerschmitt (Oldtimer). Herr Meyer hat eine Passion für antike Fortbewegungsmittel, sammelt nicht nur wertvolle Fahrräder sondern auch Motorräder und Mopeds. Über 120 an der Zahl. Der silberne schmale Wagen ist eines seiner Lieblingsstücke, noch auf der Treppe  kommt er ins Schwärmen. „Am schönste ist´s im Spessart zu fahren, nen ganzen Tag lang.“ Er hat auch einen Fliegerhelm, den er extra für die Fahrten mit seinem „Dreirädsche“ besorgt hat. Aber genug vom Smalltalk. Wir betreten die Räumlichkeiten der Fahrradgesellschaft.

Runde 1 – „Wer war Moulton?“

Im Laden angekommen berichtet uns Erik von der Geschichte des Ladens. Sein Vater hatte die Fahrradgesellschaft (früher GbR daher der Namenszusatz Gesellschaft) zusammen mit einem Kompagnon Herr Jonasch damals auf dem Gelände der Heyne Fabrik gegründet. Bis nach England hatte es die beiden geführt, um auf Messen die angesagten Rahmen zu besorgen und in Deutschland zu bester Markenware zusammenzuschrauben. Wer war Moulton? Eine Zwischenfrage zum Aufwärmen, die mehr als überraschend von Erik in die Runde gestellt wird. Die Antwort gibt er – in Anbetracht unseres Schweigens – selbst. Es handelt sich um einen Fahrradguru, einer der ersten Produzenten von HighEnd-Falträdern, die noch heute Inbegriff für Praktikabilität sind. Ein Konzept das Meyer Senior mit nach Deutschland brachte und groß aufzog. Schon 1989 ist Erik bei seinem Vater mit eingestiegen, hat es genossen seine Leidenschaft für Modellbau und Technik zum Job zu machen. Schon immer hatte er Freude am Fahrrad „Mein Vater hat immer gesagt, wenn mir meine Arbeit keinen Spaß macht, soll ich damit aufhören. Aber ich kann mich jetzt seit mehr als 30 Jahren nicht beschweren.“ Vater und Sohn vertrugen sich generell gut – klar gab es immer mal wieder kleinere Reibereien, aber in diesem Fall war Erik immer recht stur: „Wenn wir gezofft haben, hab ich mir gedacht, der kann mich mal und bin 3 Tage nicht zur Arbeit gegangen.“ Trotzdem, das Team Meyer hat funktioniert – Und so zeigt uns der Fahrradprofi stolz die Preise seines Vaters, die dieser im Radsport gewonnen hat. Sogar deutscher Meister ist er geworden. Aber wieder sind wir abgeschweift.

Runde 2 – „Was ist ein 29er?“

Wir streifen weiter durch das Geschäft an den alten Fotos aus den 70er Jahren vorbei, wieder vor zu den Fahrradgestellen. Betrachtet man den Laden genauer, sieht man neben modernen, schnittigen Modellen auch alte Schinken stehen, antik. Uns fällt das auf. „Wie schön die älteren Modelle sind.“ Herr Meyer hat dazu schon die nächste Frage im Sinn. „Ja wisst ihr denn, was ein 29er ist?“ Ratlosigkeit steht in unseren Gesichtern und Erik freut sich, als er uns zeigen kann, dass es sich um bestimmte Mountainbikes handelt, die Meyer Senior schon Ende der 80er ins Repertoire aufnahm und populär machte. Mit der Bezeichnung 29 Zoll ist eigentlich nur der Durchmesser des Reifens gemeint. Und immer mehr verfällt Herr Meyer der Fahrradsprache. „Es gibt 28 Zöller die sind größer als 27-630er, die meisten 28-622 Räder sind aber kleiner als 27.“ Vor Ziffern 27 und 28 dreht es sich bei uns im Kopf. Und schon finden wir uns im Hof wieder, wo uns Erik das ganze mal vorführen will. Wir wollen zurück zum Small Talk und erkundigen uns nach der Philosphie des Fahrradspezis und seiner Gesellschaft. „Ich hab keinen Bock auf minderwertiges Zeug. Wer billig kauft, kauft immer zweimal. Bei mir gibt’s keinen Schrott.“ Erik steckt in der Materie, kennt sich aus, mit Geschichte und physikalischen Grundlagen. Dadurch, dass er alles in seinem Laden selbst übernimmt, vom Reifenwechsel bis hin zur Montage ist er mittlerweile Vollprofi.

Runde 3 – Das Finale.

Erik ist stolz auf seinen Laden und das, was er erreicht hat. „Ich kann gut Leben. Und das verdanke ich meiner eigenen Hände Arbeit.“ Er hebt seine Hände, wackelt mit den Fingern. Das ist auch der Grund, warum der Ladenbesitzer auf Diebe allergisch reagiert. Einen hat er sogar mal auf frischer Tat ertappt, als dieser versuchte, sich an der Ladenkasse zu bereichern. Nach einer Rangelei und einer wilden Verfolgungsjagd quer durch die Fahrradreihen, hat er ihn geschnappt, mit Fahrradschlössern ans Treppengeländer gekettet und im Auge behalten, bis die Polizei kam. „Bei allen, die hier was mitgehen lassen, werd´ ich ungemütlich. Wenn ich da einen erwische, zieh ich ihm das Gesicht über den Rauputz bis nichts mehr über ist davon. Nicht mal die Pickel!“ und man merkt, dass er´s ernst meint. Der Tatort wechselt, wir sind wieder mitten im Zweirad-Komplex. Wir starten ins Finale, angelangt bei der Kategorie „Sonstiges“. Wie tricksen Billig-Produzenten die Leute aus? Von was handelt der Film „Als die Tomate das Radfahren lernte“? Was ist der größte Unterschied zwischen einem Billig- und einem Markenrad? Erik überzieht gnadenlos. Der nächste Kunde wartet schon mit einem Reifen unterm Arm, lauscht aber interessiert den Fakten über Gewinde, Stahl- und Gangarten. Nach knapp 2 Stunden sind wir ganz schön gerädert aber dafür wissen wir nun vermutlich alles über Fahrräder.

PS: Ein Fahrrad kann übrigens fahren, weil es gelenkt werden kann. Hättet Ihr´s gewusst?